Retrofit Mörel

Energiezukunft ist jetzt! Retrofit Mörel

Wie Autos, Geräte oder Gebäude werden auch Wasserkraftwerke regelmässig revidiert. Jahr für Jahr sorgen unsere Kraftwerksmitarbeiter dafür, dass die grossen Maschinengruppen, bestehend aus Turbinen, Generatoren und Transformatoren, rund laufen und die Kraft des Wassers zuverlässig in Energie umwandeln. Rund alle 50 Jahre stehen bei den Kraftwerken jeweils richtig grosse Unterhaltsarbeiten an. Arbeiten, bei denen die Maschinengruppen erneuert und zum Teil auch ganz ersetzt werden. So geschehen 2023 im Kraftwerk Mörel, Projektmitarbeiter Romeo Hutter blickt zurück.


Wem gehört das KW Mörel und wie funktioniert es?

Romeo Hutter: Das Kraftwerk Mörel gehört der Aletsch AG und somit zu 100 % der enalpin. Seit 1950 wird hier das Schmelzwasser des Grossen Aletschgletschers in elektrische Energie umgewandelt. Die Wasserfassung befindet sich unterhalb der Gletscherzunge und führt das Wasser durch den Riederhornstollen zum Wasserschloss in Ried-Mörel. Von da führen zwei Druckleitungen hinunter nach Mörel.

Im Jahr 1965 wurde der Kraftwerkspark mit den beiden bestehenden Maschinen um eine dritte Maschinengruppe erweitert. Mit diesen drei Maschinen produziert das Kraftwerk zuverlässig rund 200 Gigawattstunden Energie pro Jahr. Das ist ein ziemlicher Kraftakt für die Maschinen, die Laufräder müssen zum Beispiel alle zwei bis drei Jahre revidiert werden.


Im vergangenen Jahr sind diese Arbeiten ein bisschen grösser ausgefallen?

Romeo Hutter (lacht): Ja, das kann man wohl sagen. Für 2022 und 2023 war ein sogenanntes Retrofit des Kraftwerks Mörel vorgesehen, bei dem das gesamte Kraftwerk modernisiert wurde. Konkret heisst das, dass die Maschinengruppen 1 und 2 ausgedient haben und im Winter 22/23 durch eine neue Maschinengruppe – wir nennen sie Maschinengruppe 4 – ersetzt wurden. Die Maschinengruppe 3 wurde im Winter 2023/24 generalüberholt und mit einer neuen Steuerung, einer neuen Hydraulik zur Regulierung von Düse, Ablenker und Kugelschieber, und mit einem neuen geschlossenen Kühlsystem ausgestattet. Ebenso wurde der bald 60-jährige Transformator ersetzt. Ziel war es unter anderem, die Maschinengruppe unabhängiger zu machen und die Verfügbarkeit der Anlagen zu erhöhen.


Mit der neuen Maschinengruppe 4 haben wir das Kraftwerk auf den neusten Stand der Technik gebracht, oder?

Romeo Hutter: Genau, wir haben hier neu eine Maschine mit senkrechter Ausrichtung, d.h. die Welle steht senkrecht, das Turbinenrad waagrecht. Im Vergleich zu den bisherigen Maschinengruppen mit waagrechter Ausrichtung, die mit nur einer Düse arbeiteten, haben wir bei der neuen Maschinengruppe nun vier Düsen, die wir einsetzen können, um das Wasser zu turbinieren. Das heisst, die Maschine kann einen grösseren Bereich des zur Verfügung stehenden Wassers abarbeiten, was die Flexibilität erhöht. Auch hat die Maschinengruppe 4 einen höheren Wirkungsgrad, als die alten Damen sie vorher hatten.


Heisst das, dass wir jetzt noch mehr nachhaltigen Strom produzieren können?

Romeo Hutter: Nein, wir haben gemäss Konzession Anrecht auf höchstens 7 m³ Wasser pro Sekunde – und wenn wir nicht mehr Wasser haben, können wir nicht mehr produzieren. Natürlich hat die neue Maschinengruppe einen höheren Wirkungsgrad und produziert dadurch etwas mehr Energie, aber hier sprechen wir von einem einstelligen Prozentbereich. Die Maschinengruppe 3 wird flexibler: Hier haben wir das Verfahren zum Starten und Stoppen der Maschine durch eine Hochdruckanhebung optimiert, so dass die Lager bei künftigem vermehrtem Start-Stopp-Betrieb weniger belastet werden.


Warum ist dieser Retrofit so wichtig für unsere Energiezukunft?

Romeo Hutter: Einerseits investieren wir mit den 12,5 Millionen Franken des Retrofits klar in die Versorgungssicherheit, weil wir so garantieren können, dass in Mörel noch lange Strom aus Wasserkraft produziert wird. Maschinengruppe 3 sollte nun die nächsten 25 Jahre laufen und mit der neuen Maschinengruppe vier können wir sicher wieder 40 Jahre saubere Energie liefern. Andererseits leistet diese Investition in die Flexibilisierung der Maschinen einen grossen Beitrag an die Netzstabilität. Wir können jetzt schneller und flexibler auf Schwankungen in der Nachfrage reagieren – und das wird mit der dezentralen Stromproduktion über Solaranlagen immer mehr der Fall sein. Zudem werden alle Pumpen durch energieeffiziente Pumpen ersetzt und das Kraftwerksgebäude wird neu mit einer Luft-Wasser-Wärmepumpe beheizt – bisher hatten wir elektrische Heizkörper. Dies wird den Eigenenergiebedarf merklich senken.


Schon bald ist das Projekt abgeschlossen. Was waren rückblickend die grössten Herausforderungen?

Romeo Hutter (schmunzelt): Bis wirklich alles fertig ist, wird es noch einen guten Moment dauern. Zur Frage: Ich möchte zwei Herausforderungen herauspicken. Der Abbruch der alten Maschinengruppen im Winter 22/23 hat unsere Bauabteilung ganz schön gefordert. Das Betonmaterial hat man damals um 1950 der Massa entnommen. Es war sehr rein und quarzhaltig und so war auch der daraus gefertigte Beton pigglherte! Es war unmöglich, den Beton rund um die Maschinengruppe mit einem normalen Abbruchhammer herauszuholen. Der Bagger war da völlig machtlos, wir mussten mit der Diamantkette Blöcke raussägen. Für Nervenkitzel sorgte dann auch die Lieferung des neuen Generators 4, der kam per Schwertransport aus Spanien und liess ziemlich lange auf sich warten. Aber seit dem 20. Juli 2023 läuft die Gruppe 4 im Kraftwerk Mörel wieder auf Hochtouren – ich bi zfridu!


Letzte Frage – der Kraftwerkspark stand während des Projekts jeweils im Winter still.

War das nicht mit enormen Verlusten verbunden? Romeo Hutter: Jein, zum Glück sind wir bei der Energieproduktion nicht allein und arbeiten eng mit unseren Partnern zusammen. Die Elektra Massa, die das Wasser aus dem Gibidum-Stausee unterhalb unserer Fassung zur Stromproduktion nutzt, hat uns das Wasser in dieser Zeit abgenommen und für uns Strom produziert. Der Verzug der Inbetriebnahme der Gruppe 4 hat dann schon zu Buche geschlagen.  

Zur Person Romeo Hutter

Romeo Hutter

ist seit 2012 bei enalpin als Projektleiter Wasserkraft. Das Retrofit in Mörel hat er gemeinsam mit Benjamin Jordan als Gesamtprojektleiter Maschinengruppe 3 und Olivier Berchtold als Gesamtprojektleiter Maschinengruppe 4 gemeistert – er selbst war verantwortlich für die Elektromechanik. Privat ist der Munder verheiratet mit Isabelle, Vater von zwei Kindern, leidenschaftlicher Jodler und Bergwanderer. Wasser fasziniert ihn nicht nur als Energiequelle für Strom, sondern auch als kostbares Nass zur Bewässerung unserer schönen Bergwiesen. So ist er seit über 20 Jahren Wasserleitenvogt im Stiegwasser in Mund, einer von zwei Suonen, die noch wie anno dazumal das Wasser aus dem Gredetschbach auf die Felder führt.